Olivenernte in Umbrien - eine Abwechslung zum deutschen Schreibtischalltag

Gastartikel: Im November zur Olivenernte nach Umbrien

Olivenernte in Umbrien - eine Abwechslung zum deutschen Schreibtischalltag
Olivenernte in Umbrien - eine Abwechslung zum deutschen Schreibtischalltag

Seit mich vor über 30 Jahren die Italienleidenschaft gepackt hat, verbringe ich fast alle meine Urlaube im Land des Stiefels. Die Begeisterung für das Land, die Menschen und ihre wunderbare Sprache haben mir viele Türen geöffnet und wertvolle Freundschaften geschenkt.

Seit 10 Jahren fahre ich im November gen Süden, einem Monat, in dem es auch in Italien nicht mehr schön ist, die Tage kurz sind und die Häuser noch nicht geheizt. Warum tue ich mir das an? Nun, im November sind die Oliven reif, und dann muss ich zur Ernte. Ich bin dann zu Gast bei den „Kleinen Brüdern vom Evangelium“, die in Umbrien in der Nähe des Städtchens Spello (bei Assisi) mitten in einem Olivenhain leben.

Die Kleinen Brüder sind eine junge und sehr kleine katholische Ordensgemeinschaft. Weltweit gibt es von ihnen nur ca. 70 Ordensbrüder. Sie wohnen nicht in Klöstern und sie tragen keine Ordensgewänder. Sie leben in Kleingruppen zu dritt oder zu viert mitten unter den einfachen Menschen, um ihnen im Alltag nahe zu sein und ihr Leben zu teilen.

In Spello bieten die Kleinen Brüder Gästen die Möglichkeit, jeweils eine Woche lang ihr dortiges Leben im Gebet und in der Arbeit zu teilen. Normalerweise arbeiten wir vier Stunden am Vormittag im Olivenhain oder bei den befreundeten Bauern der Umgebung, während am Nachmittag dann Zeit zum Ausruhen, für Stille, Gebet und Gespräche ist. Aber wenn die Oliven reif sind, dann gehen die Uhren etwas anders, denn die Ernte kann nicht warten. Setzen erst die Stürme ein, dann hängen die Oliven nicht mehr auf dem Baum, sondern liegen auf dem Boden.

Ein typischer Tag der Olivenernte:

Noch früher als zu Hause stehe ich schon vor 6 Uhr auf, um als Erste im Bad zu sein, das wir uns mit bis zu 8 Personen teilen. Ums Frühstück in der großen Wohnküche kümmert sich jeder für sich. Um 7:15 Uhr treffen wir uns alle in der Kapelle zum Morgengebet, bei dem wir zusammen beten und singen und einen Impuls zum Tagesevangelium hören, oft verbunden mit einer „Aufgabe“ für den Tag. Während ein Gast den Küchendienst übernimmt, fahren wir anderen in den Olivenhain und beginnen um 8 Uhr voller Elan mit der Arbeit.

Blauer Himmel im November - Die Oliven werden vom Baum gekämmt
Blauer Himmel im November - Die Oliven werden vom Baum gekämmt

Einige sind dafür zuständig, die Netze um die Bäume zu legen, sie bei Steilabhängen an Metallstangen hochzubinden und später die geernteten Oliven von Ästen zu säubern und in die Körbe zu packen. Dann gibt es die Olivenpflücker/innen, die mit großen, breiten Plastikrechen die Oliven von den Ästen kämmen. Wer kann, steht auf einer Leiter, um bis in den Wipfel des Baumes zu gelangen und vor allem auch, um die Oliven auf dem Netz nicht zu zertreten. Wer wie ich nicht auf die Leiter geht, der pflückt von unten oder an den kleinen Bäumen. Man kann die Oliven auch mit der Hand gleich in einen Stoffbeutel pflücken, das ist mehr meditativ als effektiv; diese Oliven werden dann zum Einlegen genommen.

Gegen 10 Uhr gibt es eine kleine Pause mit Obst und Getränken. Um 12 Uhr bringt uns die Küchenmannschaft das leckere Essen direkt in den Olivenhain. Wenn es warm genug ist, sitzen wir gleich auf der Wiese bei unseren Bäumen. Ansonsten gehört zu jedem Olivenhain ein kleines Steinhäuschen.

Dann geht es in die zweite Runde; jetzt wird das Tempo schon langsamer, aber unseren Spaß haben wir trotzdem. Unter den Bäumen erzählen wir uns aus unserem Leben, lachen über Witze (am liebsten über Berlusconi oder den Papst) oder singen fröhliche Lieder. Gegen 16 Uhr wird der Arbeitstag beendet, dann müssen alle Körbe mit den geernteten Oliven auf den Laster geladen werden, die Leitern und Metallstäbe werden an einen Baum gekettet, und die überall im Olivenhain verstreuten Materialien und Kleidungsstücke eingesammelt. Alle zwei Tage wird die Ernte in die Mühle gefahren und zu Öl verarbeitet.

Die kostbare Ernte landet sicher im Netz
Die kostbare Ernte landet sicher im Netz

Wieder zu Hause stehen wir an der einzigen Dusche Schlange. Um 18 Uhr treffen wir uns an der Kapelle, meist um dort eine Stunde stille Anbetung zu halten und anschließend Gottesdienst zu feiern. Jeder, der will, kann den Gottesdienst mit Musik oder Texten mitgestalten oder seine Gedanken im Predigtgespräch einbringen; es hat etwas von Urkirche. Gegen 19:30 Uhr sitzen wir alle hungrig und erschöpft, aber mit glühenden Wangen um den großen Holztisch zum Abendessen, dann wird genossen, erzählt und gelacht. Noch bevor die Minestrone auf den Tisch kommt, haben wir uns schon ein Stück Weißbrot mit frischem Olivenöl und Salz in den Mund geschoben – köstlich! Gegen 22 Uhr liegen wir alle im Bett – besonders für die Süditaliener eine sehr gewöhnungsbedürftige Zeit.

Am Ende des Urlaubes bringe ich voller Stolz mein selbst erarbeitetes Olivenöl mit nach Hause, das mir den Winter etwas erleichtert.

Für mich ist diese Olivenernte, bei der ich meinem eigenen Tempo folgen darf, jedes Jahr neu der absolute Höhepunkt. Ich – sonst am Schreibtisch sitzend – liebe diese Arbeit in der Natur. Während im deutschen November schon alles grau in grau ist, kann ich hier meist noch sonnige Tage und wunderschöne Sonnenuntergänge erleben und bin von bunten Herbstwäldern umgeben. Ich habe vertraute Menschen um mich herum oder lerne andere neu kennen. Manchmal reicht es nur für eine Email zum nächsten Weihnachtsfest, aber ab und zu entstehen Freundschaften fürs Leben.

Angela Zawilla



3 Comments

  1. Ein Besuch bei den Kleinen Brüdern klingt sehr schön. Mir gefällt es, dass sie so offen klingen, was man bei katholischen Brüdern vielleicht nicht unbedingt erwarten würde.

    • Ja, das glaube ich auch. Angela besucht sie regelmäßig und ich kann nur sagen, dass es ihr jedes Mal sehr gut tut! Peggy

    • Hallo Mathilda,
      ja stimmt, die Kleinen Brüder sind so ziemlich die offensten Ordensbrüder, die mir in 48 Jahren Katholisch-Sein über den Weg gelaufen sind. Sie sind so fürchterlich normal, dass es einfach gut tut. Dabei ist ihr Dienst der Gastfreundschaft (jede Woche andere Gäste und wieder neu anfangen) schwieriger als man denkt. Mir sind sie sehr ans Herz gewachsen.