Wer auf dem Land lebt, der kennt das: fahren, fahren, fahren – man ist jeden Tag mit dem Auto unterwegs: Zum Einkaufen, zum Sport mit Kind 1, zum Fußballtraining mit Kind 2, zum Friseur, zur besten Freundin, in den Zoo, ins Kino, zum Konzert, usw. usw.
Wenn mich ein Politiker fragt, warum wir nur zwei Kinder haben, dann kann ich ihm viele Gründe nennen. Ein Grund ist auf jeden Fall, dass ich mir kaum vorstellen kann, noch ein Kind zu all seinen Terminen zu fahren. Ich für meinen Teil fahre nicht gern Auto und halte schon allein wegen der Umwelt nicht viel davon. Ich verbinde also so viele Termine wie es geht miteinander und was wir zu Fuß erreichen können, das wird mit der Kinderkarre angesteuert. Und natürlich bilden wir Fahrgemeinschaften mit anderen Eltern. Und doch hab ich das Gefühl ständig zu fahren.
Öffentliche Verkehrsmittel sind hier bei uns kaum nutzbar. Mit Baby und Einkäufen beladen schon gar nicht. Die Abfahrtszeiten sind zu selten, der Weg in den Bus beschwerlich. Meine Tochter hat als Erstklässlerin nach der vierten Stunde Schulschluss. Da fährt aber gar kein Bus. Weshalb sie noch eine Stunde in der Schule bleibt. Zum Glück wird dort ein Betreuungsangebot für diese Zeit gemacht. Und wir Land-Eltern wollen natürlich nicht, dass unsere Kinder weniger Möglichkeiten haben als andere. Daher fahren wir in die nahegelegene Kleinstadt zum Ballett, zum Schwimmtraining usw.
Wer trotz seiner Liebe zum Land gern abends etwas unternimmt, der fährt natürlich mit dem Auto. Für den netten Abend in der Kneipe 15 Minuten, fürs Kino 30 Minuten und zum Konzert 1 Stunde oder mehr. Am Ende des Abends natürlich die gleiche Zeit zurück.
Nicht umsonst bekommt hier fast jedes Kind zum 18ten Geburtstag ein eigenes Auto. Die meisten Eltern sind es einfach leid zu fahren. Und die Kinder sind es dann auch leid zu bitten. Mit der Sekundarstufe Zwei fährt man hier am Tag bis zu zwei Stunden Bus. Die Schulfreunde wohnen nicht selten 45 Minuten weit weg. Da feiert man die eigene Mobilität mehr als das Erwachsenwerden. Jeder der gern lang schläft weiß was es bedeutet, wenn man morgens eine Stunde später aufstehen kann, nur weil man selbst fährt und nicht mit dem Bus.
Die Infrastruktur wird immer schlechter aufgrund der schlechten Finanzlage in den Kommunen. Bei uns gibt es noch den Luxus eines kleinen Freibads auf dem Dorf. Wenn es nach der Bürokratie geht nicht mehr lange. Und wieder fahren wir etwas mehr.
Als meine zweite Tochter geboren wurde, hab ich mir vorgenommen unser zweites Auto abzuschaffen. „Ich fahre mit dem Rad“, hab ich zu meinem Mann gesagt „wir haben doch den Anhänger für Zwei“. Dazu ist es nicht gekommen. Unsere Kleine war ein Frühchen und ich war zunächst täglich unterwegs in die Kreisstadt um sie zu sehen. Darauf folgten zahlreiche Arzttermine und Untersuchungen. Und ich hatte Angst, Angst davor dass sie ärztliche Hilfe braucht und ich kein Auto habe, um mit ihr sofort zum Arzt zu fahren. Ja, man soll auf den Krankenwagen warten. Aber mal ehrlich, könntet ihr das? Meine Große hatte mal so einen allergischen Schock, als wir beim Arzt eintrafen, bekam sie kaum noch Luft und es war höchste Zeit. Da ist man froh, wenn man ein Auto hat!
Und trotz allem hat mir diese missliche Lage viele Vorteile eingebracht.
- Ich bin flexibler als andere in der Wahl des Berufs, denn ich bins ja gewöhnt zu fahren und suche daher in größerem Umkreis.
- Ich sehe Konzerte in ganz Deutschland und kenne mich daher aus, denn in unserem Dorf spielt keine Band von Rang und Namen.
- Ich bin kreativ in der Lösung meiner Probleme, denn als es für mich in der Umgebung keine passende Gruppe gab, hab ich mir mein eigenes Theater gegründet.
- Ich verliere nicht so schnell einen Freund aus den Augen, denn der Weg nach Berlin kommt mir weniger weit vor als Leuten aus der Stadt.
Mir würde noch viel einfallen, da bin ich mir sicher. Ich käme auch nicht auf die Idee in die Stadt zu ziehen, wo die Leute trotzdem mit dem Auto zur Arbeit fahren, weil der Weg mit der S-Bahn genau so lange dauert. Ich liebe das Landleben trotz seiner Widrigkeiten. So, und was mach ich jetzt? Tasche packen und ins Auto setzen, denn die Große will mit ihrer Freundin zum Schwimmtraining …
Hi Peggy, und das ist nun wieder das Schöne in der Stadt, wir fahren nur noch mit dem Fahrrad! Seit wir hier wohnen haben wir das Auto in drei Monaten genau 3x nutzen müssen, weil es wirklich nicht anders ging, denn wer fährt schon mit dem Bus zu Ikea um Möbel zu kaufen:-)
Der nächste Kinderarzt ist in 200m Entfernung, der Bäcker in 40m, der Supermarkt,die Post der nächste DM alle 250m….obendrein brauchen wir mit dem Rad 2 min in den großen Park und nur wenig mehr bis zum nächsten Theater für Kinder…
Wir haben es also gut getroffen, was sicher nicht allen so geht wenn man in die Stadt zieht! Ein kleiner Wehrmutstropfen bleibt jedoch, denn das nächste Schwimmbad ist nicht mehr zu Fuß erreichbar und das Leben in der Stadt muß besser geplant werden. Ich persönlich hätte keine Lust morgens als erstes im Stau zu stehen und mich im Anschluß gleich in den schier aussichtslosen Kampf um einen der wenigen Parkplätze in der Stadt zu begeben. Daher fahren wir gerne Rad und investieren in wetterfeste Kleidung für den Winter anstatt in ein zweites Auto:-)
Das ist schön zu hören, auch wenn ich nicht glauben kann, dass man das Landleben nicht vermisst …