Der neue Karl May: Im fernen Westen, Band 89 der Gesammelten Werke

Der neue Karl May: Im fernen Westen

Der neue Karl May: Im fernen Westen, Band 89 der Gesammelten Werke
Band 89 der Gesammelten Werke

Lesen ist gut für die Sprachentwicklung, Karl May ist gut fürs Lesen

In meiner Lieblingsradiosendung, dem Büchermarkt im Deutschlandfunk, gibt es den monatlichen Selbsttest: was passiert mit einem Gehirn, das jeden Monat die Top 10 der SPIEGEL-Beststellerliste wirklich liest? Dabei kommen die seltsamsten Ergebnisse heraus.

Heute fragen wir uns stattdessen: was passiert mit einem (jungen) Gehirn, das von klein auf regelmäßig Karl May liest? Nun, das ist relativ einfach: es lernt und wächst! Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass meine guten Ergebnisse in den Diktaten und Rechtschreibtests der ersten Klassen auf extensives Lesen zurückzuführen sind. Ja, ich war und bin bekennender Fan von Karl dem Großen: er schärft das Denken, hilft bei den Kommaregeln und eröffnet grammatikalische Varianten. Kurz: May lesen ist eine Rundum-Schule der – wenn auch altmodischen – deutschen Sprache, und das auf leichte, aber nicht anspruchslose Weise.

Winnetou 1 bis 3, Durch die Wüste mit Hadschi Halef Omar und zur Pyramide des Sonnengottes bei den Azteken: so manche Nacht habe ich mit der klassischen Taschenlampe unter der Bettdecke verbracht – und mit den großen Reiseerzählungen des Meisters. Später folgten dann aus literarischem Interesse die Heimat- und Kolportageerzählungen wie „Professor Vitzliputzli“ oder „Schacht und Hütte“. Auch diese oft unbekannten Werke lassen sich gern wiederentdecken.

Karl May lebt? Zumindest erscheinen noch neue Bücher von ihm

Und nun also, ein neuer May! Band 89 der Gesammelten Werke im Karl-May-Verlag Bamberg Radebeul erscheint mit zwei Erzählungen aus dem Wilden Westen, betitelt mit „Im fernen Westen“. 536 Seiten, die so noch nicht veröffentlicht wurden – ein weiterer „großer grüner“ Band im Bücherregal. Kann, sollte, muss man das gelesen haben?

Der Ich-Erzähler, Mays Alter Ego Old Shatterhand, reitet durch den Westen und er ist – heute würde man sagen „ganz schön runtergekommen“. Löcher in den Mokassins, schmierige Lederhosen, weil er diese bei den Mahlzeiten zum Abwischen benutzt hat – allein für diese Beschreibung könnte ich ihm seine schreibenden Hände küssen. Dann trifft er in der weiten Prärie einen interessanten jungen Mann, kaum 16 Jahre alt, Sohn einer Indianerin und eines Deutschen. Er ist in Begleitung des Ölprinzen Forster, ganz ähnlich demjenigen, den wir ja schon aus einem anderen Band kennen. Unser Held gerät in Streit mit dem Ölprinzen, der ihm sein Pferd Swallow, ein Geschenk Winnetous, abkaufen will. Als Shatterhand dies ablehnt, ergreift der Schurke das Pferd und reitet mit ihm davon.

Und dann kommt der Paukenschlag: Shatterhand sucht den Ölprinzen und den Jungen in seinem Haus auf, als eine Ölquelle in Brand gerät. Das ganze Tal wird geflutet und verbrennt. Shatterhand schnappt sich den Jungen und reitet mit ihm auf Swallow davon. Auf der Flucht vor dem Feuer landen sie in einem Fluss, aus dem das treue Pferd seinen Reiter und dessen Schützling nur mit größter Mühe herausbringt. Das ist die Ausgangssituation, von der aus es in drei weiteren Kapiteln vorangeht.

Im zweiten Kapitel darf man dann unsere Helden in einer Pause beobachten: Winnetou und Shatterhand beim Zigarrenrauchen, wann hat man das schon erlebt? Und wenig später erfahren wir sogar, warum Winnetou möglicherweise ein Problem mit den Frauen im Allgemeinen hat. Das hängt nämlich mit Old Firehand zusammen, der auch auftritt und dessen Geschichte aus dem gleichnamigen Band 71 der Gesammelten Werke hier variiert wird.

Leicht modernisiert, aber verlässlich wie immer: Old Shatterhand ist für alle da

May spielt seine bewährten Mittel und Stärken aus, die genaue Schilderung von Physiognomien genauso wie die Kauzigkeiten des einsamen Fährtenläufers. Gewiss, das ist ziemlich schwarz-weiß, erschien mir aber doch in einigen Passagen moderner als ich es von früheren Ausgaben in Erinnerung hatte. Möglicherweise wird dieser Eindruck unterstützt von der behutsam angepassten Sprache, die relativ vielen englischen Begriffe wirken im Trapper-Umfeld durchaus authentisch und Mays Rechtschreibung wurde vom Verlag auf die neuen Regeln gehievt. Die humoristische Einleitung mit dem Wortwechsel zwischen dem Jungen und Shatterhand mag für heutige junge Ohren etwas bemüht klingen, macht aber durchaus Spaß.

Die Titelgeschichte wird ergänzt um eine weitere Erzählung „Der Fürst der Bleichgesichter“ sowie jeweils ein Nachwort von Christoph F. Lorenz. Bleibt zu wünschen, dass der Karl-May-Verlag seine lobenswerte Arbeit noch lange fortsetzen kann und aus der 10.000er Startauflage möglichst schnell nochmal soviel werden. Ich habe es genossen, nach langen Jahren wieder abzutauchen in die Welt der grenzenlosen Abenteuer. Klare Empfehlung, nicht nur für Jungs: in regelmäßigen Dosen zu lesen, ab spätestens 10 Jahren!

Karl May: Im fernen Westen.
Karl-May-Verlag, 2011.
536 Seiten, 17,90 Euro.
Action Humor Nostalgiefaktor
++ + +++

Alters-/Leseempfehlung:

Hauptsächlich für Jungen ab etwa 10 Jahren und für kindgebliebene Papis und Mamis, die klassische Abenteuer lieben, bei denen die Menschlichkeit nicht zu kurz kommt.

 

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