Gestern Abend, nach unserem zweiten Auftritt mit Don Quijote, haben mein Mann und ich das anstrengende Wochenende auf dem Sofa ausklingen lassen. Im Fernsehen gabs dazu Das Philosophische Quartett. Thema der Sendung „Fix und Fertig – Die erschöpfte Gesellschaft“.
Die geladenen Gäste kamen gemeinsam mit den Moderatoren relativ schnell zu dem Schluss, dass lang nicht alle, die man als vom Burnout betroffen bezeichnet, in ihren Augen wirklich an einem Burnout-Syndrom leiden. Dass da aber sehr wohl etwas schief laufe, sodass 9 Millionen Menschen in unserem Land aktuell diesen Begriff auf ihren Schultern mit sich herumschleppten. Burnout sei ein Begriff, der sehr schnell für jegliche Art der Erschöpfung verwendet werde. Oft sei der Name Burnout einfacher zu ertragen, als stigmatisierte Begriffe, wie zum Beispiel Depression oder Hysterie. Es sei manchmal das Burnout wie ein kleiner Sieg. Frei nach dem Motto: „Juchu, ich hab es geschafft meinen Körper und meine Seele zugrunde zu arbeiten, eine heldenhafte Leistung!“ Wir überfordern uns also und wundern uns am Ende darüber, dass das nicht dauerhaft funktioniert.
Einer der geladenen Gäste, der Psychologe Manfred Lütz, sagte zwischendurch einen kleinen Satz, der mich bis heute bewegt. Er beschrieb eine Verhaltensweise, die er inzwischen immer häufiger beobachte, das Präventiv-Leben. Also, das ständige B von Regeln und Gesetzen zur Prävention sonst möglicherweise eintretender Fährnisse. Das ist etwas, dass ich sehr gut kenne aus Mütterkreisen. Wieviele Dinge halten wir von unseren Kindern fern, da eventuell etwas eintreten könnte, dass ihnen schaden könnte. Wer sich mit Kommunikation auskennt, der wird schon beim Anblick der vielen „könntes“ verrückt. Klassisches Beispiel für eine solche Vorgehensweise: Mein Kind könnte theoretisch eine Allergie entwickeln – da mein Mann auch betroffen ist, erhöht sich das Risiko, deshalb bekommt es länger Muttermilch, daher waschen wir alle Wäsche ohne Weichspüler, daher putze ich in unserem Haus jeden Tag Staub, daher …
So sind wir Mamas heute in vielen Punkten. Als ich so alt war wie meine große Tochter heute, war es absolut normal, dass man den ganzen Tag draußen spielte. Nicht mit der Mama, sondern mit den anderen Kindern des Dorfes. Nach den Hausaufgaben ging es aufs Rad und dann zum Treffpunkt mit den Freundinnen. Heute ist das undenkbar. Es werden unter den Müttern Spieltermine vereinbart, zu denen die Kinder sich treffen und bei denen selbstverständlich eine Mutter die ganze Zeit die Aufsicht hat. Und zu diesem Spieltermin fährt meine Tochter dann nicht allein. Ich bringe sie hin.
Damit verändert sich aber auch der Tagesablauf und die Selbstorganisation der Mutter erheblich. Der Anspruch an eine gute Mutter steigt. Und ich höre daher auch immer wieder, dass die Mütter sich wünschen, sie könnten zu Haus bleiben, um diesem ihrem Anspruch an sich selbst gerecht zu werden. Wer arbeitet, der ist da sehr schnell raus. Ich habe das bei meiner ersten Tochter sehr stark zu spüren bekommen. Immer habe ich daran gelitten, dass mich die anderen Mütter mit diesem Seitenblick bedachten. Aussagen wie: „Ach, die arme Kleine kann ja dann nicht, du musst ja arbeiten.“ oder: „Deine Tochter wird dann ja sicher von der Oma gebracht.“ trafen immer bis ins Mark. Und auf der Arbeit setzte ich mich mit Aussagen auseinander, wie „Na ja, Peggy muss ja pünktlich heim“ oder „Mütter habens gut, die werden bei Arbeitszeit und Urlaubsplanung immer bevorzugt“. Ganz klar ist jawohl, dass man von einer Führungskraft heute erwartet, dass ihr Arbeitspensum über den bezahlten Stunden liegt. Oft habe ich gedacht, dass ich an diesem Zwiespalt zerbreche und nebenbei gelernt, sehr schnell und effektiv zu arbeiten.
Manfred Lütz sagte: „Auch wenn sie noch so gesund sterben: Sie sind am Ende tot.“ Was er damit sagen wollte, ist, dass wir noch so sehr versuchen können den Fährnissen auszuweichen, irgendwann kriegen sie uns. Wichtig ist zu lernen mit dem zu leben, was uns tatsächlich betrifft. Warum sich zusätzlich Sorgen machen um die Dinge, die noch gar nicht eingetroffen sind? Vor allem, wenn diese uns immer weiter in die Depression treiben? Ist unsere Gesellschaft tatsächlich erschöpft?
Ich habe auf diese Fragen keine Antworten. Denn erstens bin ich keine Psychologin und zweitens leider kurz nach dem Statement von Manfred Lütz auf dem Sofa eingeschlafen. Einfach zu erschöpft?
Schön geschrieben! Und ich unterschreibe voll 🙂
GLG Jennifer
Liebe Peggy, Du wohnst nur in der falschen Region… hier ist es eher normal, dass die Mütter arbeiten und wer zu Hause ist, wird komisch angesehen. Zuviel Zeit macht definitiv verdächtig.
Und ja, die Gesellschaft macht krank, wer nicht mithält, ist raus. Selbst hier auf dem Dorf hat uns die Stadthektik sehr schnell eingeholt, ich hab nicht das Gefühl, dass sich für uns viel geändert hat bis auf längere Wege mehr Platz. Liebe Grüße Kaddi
Hallo Kaddi, ich glaube da gibt es nicht richtig oder falsch, denn zermürbt hat es mich auch. Ich denke wir schaffen es hier in unserem Land uns und unserer Umwelt das Leben in egal welcher Situation madig zu machen. Und das ist so schade und so bitter.
Zitat: „Ich denke wir schaffen es hier in unserem Land uns und unserer Umwelt das Leben in egal welcher Situation madig zu machen. Und das ist so schade und so bitter“
Eine typisch deutsche Eigenschaft: Laber, zerreden, madig machen.
Nur……. besser machen können’s die wenigsten.
Für mich passt am besten: Man muss auch gönne könne. :-))
Gunnar Güttsches
ich empfand die Sendung als grotesk und empfinde einige Kommentare als grotesk. Das Üble an uns Deutschen ist nicht das Meckern, sondern daß wir es bei dem Meckern belassen. Schon mal jemand von euch Gemütlichen Georg Schramm oder Volker Pispers zur Kenntnis genommen? Oder Heinrich Mann´s „Der Untertan“ gelesen? Natürlich existieren Hypochondrien selbst in einem Arbeitslager; jedoch nur beim Chef. Aber das Lager besteht auch noch aus anderen…und wer von Literatur und Kabarett nichts hält, darf auch gerne mal die Seite des statistischen Bundesamtes besuchen.